Davor - dabei - danach. Schwerpunkte einer Kampfkompanie vor, während und nach Afghanistan

Allgemeines Um dem anspruchsvollen Auftrag als Kampftruppe in Afghanistan umfassend gerecht werden zu können, gilt es, klare Schwerpunkte zu definieren. An dieser Stelle sind nicht taktische Schwerpunkte, wie etwa die in der Heeresdienstvorschrift (HDv) 100/100 »Truppenführung von Landstreitkräften« beschriebenen gemeint, sondern Schwerpunkte im Sinne einer generellen, eindeutigeren Ausrichtung seines unterstellten Bereiches. Diese gilt es auf Grund der enorm hohen Auftragskomplexität in der Einsatzvor- und Nachbereitung sowie während des Einsatzes fast zwangsläufig zu bestimmen, um die eigene Absicht nachdrücklich durchzusetzen und sich nicht in Randerfordernissen zu verlieren. In diesem Beitrag soll in aller Kürze eine Möglichkeit der zweckmäßigen, wechselnden Schwerpunktsetzung am Beispiel der 2./Panzergrenadierlehrbataillon 92 aufgezeigt werden. Diese Einheit war von Juni 2011 bis Januar 2012 als Infanteriekompanie der Task Force Kunduz III (Ausbildungs- und Schutzbataillon) im Einsatz in Afghanistan. Sie war damit Teil des 26. sowie 27. DEU Einsatzkontingentes der International Security Assistance Force (ISAF). Während ihrer Einsatzzeit waren die Soldatinnen und Soldaten der Kompanie für die Sicherheit im Unruhedistrikt CHAHAR DARREH verantwortlich. Als Kompaniechef wurden durch mich in jeder Phase – d.h. in der Einsatzvorbereitung, im Einsatz sowie in der Einsatznachbereitung – drei Schwerpunkte festgelegt, die in der Reihenfolge ihrer Priorisierung abgebildet und für alle Kompanieangehörigen stets sichtbar im Bereich der Unterkünfte angebracht wurden.

DAVOR (Oktober 2010 bis Mai 2011): Einsatzvorbereitende Ausbildung In der Einsatzvorbereitung waren die Schwerpunkte als (a) Einsatznahe Ausbildung, (b) das Erlangen einer hohen körperlichen Leistungsfähigkeit und (c) intensive Sanitätsausbildung definiert. Trotz hoher zeitlicher und organisatorischer Belastungen der Kompanie in dieser Phase haben Sie sich immer wieder in Ausbildung und Übung durchgesetzt und damit die Professionalität und das Selbstbewusstsein der Soldatinnen und Soldaten gesteigert und gefestigt.

DABEI (Juni 2011 bis Januar 2012): Einsatz in KUNDUZ, AFGHANISTAN Als allgemeine Schwerpunkte während des Einsatzes wurden (a) stetige Professionalität, (b) der Erhalt der Fitness und (c) das Halten von Verbindung festgelegt. Insbesondere der ständige Appell an die eigene Professionalität hat die Kompanie möglicherweise vor Schlimmerem bewahrt. Gerade in Bezug auf das Tragen der persönlichen Schutzausrüstung wie Helm, Schutzweste, Splitterschutzbrille, Handschuhe, Handwaffe und Gehörschutz darf es außerhalb gesicherter Bereiche trotz sengender Hitze und angesichts enormer Belastungen niemals Ausnahmen geben! Diese Regeln galt es, während des gesamten Einsatzes immer wieder in Erinnerung zu rufen und auch gegen Widerstände und Bequemlichkeit durchzusetzen.

DANACH (ab Februar 2012): Übergang in den Garnisionsdienst Als Schwerpunkte nach dem Einsatz wurden (a) das schnelle Wiedererlangen eines funktionierenden Kompaniegefüges, (b) die Umstellung auf den Heimatdienst und (c) die Berücksichtigung der langen Abwesenheit der Kompanieangehörigen von zu Hause bei der Planung des Ausbildungsjahres definiert. Diese Schwerpunkte haben zu einem schnellen Zusammenfinden der Einheit und einer Phase der dringend notwendigen Entspannung nach dem Einsatz beigetragen.


Bewertung und Ausblick Die Lage in Afghanistan war trotz einer deutlich geringeren Medienberichterstattung gegenüber dem Vorjahr in unserem Einsatzzeitraum noch immer nicht stabil. Im Rahmen der Kompanie sind wir offensiv aber immer kampfkräftig und überlegt vorgegangen, waren häufig und zu unterschiedlichsten Zeiten im Raum und konnten in die Tiefe des CHAHAR DARREHS vorstoßen. Mit diesem Vorgehen haben wir dem Gegner die Möglichkeit der Initiative genommen. Nur ein einziges Mal wurden Kräfte der 2. Kompanie in einen Feuerkampf verwickelt, ansonsten waren die Insurgents gezwungen, auf ihre perfide Taktik der Verbringung versteckter Sprengfallen auszuweichen. Lediglich in drei Fällen ist es ihnen in unserem Einsatzzeitraum gelungen, IED-Strikes gegen Kräfte der Task Force Kunduz durchzuführen: Einmal gegen Kräfte des Infanteriezuges Alpha, einmal gegen Kräfte des Panzergrenadierzuges Golf und einmal gegen einen Spähtrupp der Aufklärungskompanie. Im Vergleich zu der hohen Zahl an Sprengfallen, die durch eigene Truppe aufgespürt wurde, ist dies verhältnismäßig wenig: Allein durch die 2. Kompanie wurden im Einsatzverlauf siebzehn IEDs gefunden und kontrolliert gesprengt. Weiterführende Erfahrungen der Kompanie in KUNDUZ und detaillierte Informationen zum Einsatzverlauf finden sich u.a. in Truppengattungszeitschriften wie dem »Panzergrenadier«, »Pioniere« und »Zu Gleich«, dem CPM-Forum »Bundeswehr im Einsatz« sowie den Ausgaben der Broschüre »Aus dem Einsatz lernen« ab 02/2012. Die für die Kompanie definierten Schwerpunkte in der Zeit vor und während des Einsatzes haben sich im »Realitätsabgleich« als zweckmäßig erwiesen und sicherlich zum Einsatzerfolg der Kompanie beitragen können. Unter anderen kontextuellen Bedingungen müssen sie natürlich justiert werden, aber in Bezug auf die zurückliegende Afghanistan-Erfahrung würde ich sie wieder genau so wählen. Die nach dem Einsatz genannten Schwerpunkte scheinen sich ebenfalls zu bewähren; die Zeit der Nachbereitung ist in meinem damalig unterstellten Bereich allerdings noch nicht vollständig abgeschlossen. Die verstärkte Kompanie wuchs in Operationen auf eine Gesamtstärke von bis zu 250 Soldatinnen und Soldaten auf. Außerhalb des Feldlages operierten nicht nur Infanteristen und Panzergrenadiere als Task Force Kunduz, sondern ebenso Angehörige der Panzertruppe, Aufklärer und Pioniere, Sanitäter und Artilleristen, Fernmelder und Instandsetzer. Sowohl der Kompaniefeldwebel als auch der Materialbewirtschaftungsfeldwebel und der Schirrmeister der Kompanie wurden wie selbstverständlich in Sicherungsaufträge in Außenposten eingebunden, um »Kämpfer« für die Operationsführung zu generieren. Sogar Angehörige von Marine und Luftwaffe – zugegeben, fachfremd verwendet – nahmen regelmäßig an schweißtreibenden Fußpatrouillen unter Feinddruck im Distrikt teil. Dies zeigt, dass sich die genannten Schwerpunkte nicht nur auf den klassisch »kämpfenden Teil« der Truppe beziehen. Auch der infanteristische Einsatz in gefährlichen Gebieten erstreckt sich mittlerweile auf weite Teilbereiche unserer Streitkräfte und lässt damit eine neue Generation von Soldaten und Soldatinnen heranwachsen. Der Kampfeinsatz in Afghanistan wird voraussichtlich Ende 2014 für die Bundeswehr beendet sein. Die Betrachtung der globalen Sicherheitslage lässt aber den Schluss zu, dass ein nächster Einsatz hoher Intensität wohl nur eine Frage der Zeit ist.

 

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Autor: Marcel Bohnert

erschienen in: Univok. Zeitschrift des Studentischen Konvents der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg, 2, 2012, Seiten 17 bis 18

http://www.hsu-hh.de/konvent/index_0e9PlLDeghCI4U7Q.html

 

 

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