Kommentar zu Kriegsdienstverweigerungsanträgen junger Offizieranwärter/Offiziere an der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg

Meine Vorbereitung auf den Einsatz in Afghanistan begann im Jahre 2010, als die Bundeswehr in Kunduz die schwersten Gefechte ihrer Geschichte führte und eine hohe Anzahl an Verwundeten und Gefallenen zu beklagen hatte. In Erwartung ähnlicher Erfahrungen stieg die Anzahl der Kriegsdienstverweigerungsanträge in meinem unterstellten Bereich an, was den Eindruck erzeugte, dass es den Antragstellern insbesondere darum ging, die eigene Haut zu retten, während sie über Jahre die Vorzüge eines gutbezahlten und sicheren Arbeitsplatzes genießen konnten. Mein damaliger Kompaniefeldwebel hat in Anbetracht meiner persönlichen Verärgerung darüber immer wieder betont, dass es sich nicht lohnen würde, sich darüber aufzuregen, sondern meine Energie für diejenigen aufzusparen, die mich in den Einsatz begleiten würden. Sie bräuchten meine Führung und Arbeitskraft weitaus dringender. Seine Empfehlung war es, entsprechende Anträge unemotional abzuarbeiten, da die Entscheidung über deren Genehmigung oder Ablehnung sowieso außerhalb meines Verantwortungsbereiches liegen würde. Diese Einstellung habe ich versucht zu übernehmen und auch als Leiter einer Studentenfachbereichsgruppe an der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg versuche ich, mich immer wieder an diese Worte zu erinnern. Das fällt nicht immer leicht. Wenn Sie ernsthaft über ein Verlassen der Bundeswehr nachdenken, sei es, weil Ihnen Gewissensgründe den Dienst an der Waffe untersagen, sei es, weil Sie den Marketingstrategien der Bundeswehr erlegen sind und einen völlig falschen Eindruck erhalten haben oder sei es, weil sich Ihre Prioritäten und Wertvorstellungen geändert haben, dann seien Sie so ehrlich, und stellen ihren Antrag sofort! Noch heute! Warten Sie nicht, bis Sie Ihren akademischen Abschluss in der Tasche haben, geben Sie Ihre Masterarbeit nicht an demselben Tag ab, an dem Sie Ihren Antrag einreichen! Sie tun damit denjenigen Unrecht, die Ihre vertragliche Verpflichtung erfüllen. Denjenigen, die Ihren Dienst in fernen Ländern leisten. Denjenigen, die nötigenfalls für ihr Vaterland kämpfen, töten und auch sterben.

 

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Auszug aus einer Rede vor studierenden Offizieranwärtern und Offizieren an der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg, 2014

Illustration: Nathalie Falkowski, in: Armee im Aufbruch (Miles-Verlag, 2014)

 

 

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